KI Bundesverband fördert KI-Ökosystem in Deutschland und Europa

KI Bundesverband fördert KI-Ökosystem in Deutschland und Europa
Daten und Kontext
Kategorien
Artificial Intelligence
Schlagworte
No items found.
Autor
Tanja Kiellisch
Lesedauer
6 Minuten

„Deutschland hat seine KI-Aufholjagd endlich begonnen.“

Alex Dickmann und Alessandro Blank kennen die enormen Potenziale, die das Thema Künstliche Intelligenz für kleine und mittelständische Unternehmen eröffnet. Als Projektverantwortliche im KI Bundesverband setzen sie sich leidenschaftlich sowohl mit inhaltlichen als auch rechtlichen Themen auseinander und forcieren die Implementierung von KI im deutschen Mittelstand. Ein Gespräch über Geschwindigkeit, Vernetzung und Rahmenbedingungen.

Künstliche Intelligenz etabliert sich derzeit als Mainstream-Thema. Wo steht Deutschland im globalen KI-Wettbewerb?

Alex: Deutschland hat sich dank seiner starken industriellen Basis und seiner Spitzenforschung in vielen KI-Bereichen gut positioniert. Allerdings hinken wir bei Themen wie Start-up-Finanzierung und Schnelligkeit der Implementierung hinter anderen Ländern wie den USA oder China her. Wir schaffen es oft nicht, unsere Forschung in die Wirtschaft zu transferieren. So wurde im Jahr 2022 in den USA 20-mal mehr in KI-Start-ups investiert als in Deutschland, in China waren es sechsmal mehr.

Alessandro: Eine weitere Schwierigkeit sehen wir bei den Ausgründungen. Derzeit gehen etwa drei Viertel aller wissenschaftlichen Innovationen für die Gesellschaft verloren. Auch wenn KI-Start-ups hier eine Ausnahme bilden – über 40 Prozent aller Gründungen kommen aus der Wissenschaft – besteht noch massives Verbesserungspotenzial, damit wissenschaftliche Spin-offs eine zentrale Rolle im Transfer zwischen Forschungsinnovationen und innovativen Geschäftsmodellen einnehmen können.

Was machen andere Länder besser oder anders?

Alessandro: Andere Länder setzen entschieden auf eine gezielte, von der Regierung geförderte KI-Strategie und schaffen so ein günstigeres Ökosystem für Start-ups und Innovation. Von ihnen können wir lernen, wie man ein günstiges KI-Innovationsklima schafft, indem man Forschung, Industrie und Politik besser vernetzt.

Alex: Wir können aber auch feststellen, dass die von der Bundesregierung im letzten Jahr verabschiedete Start-up-Strategie bereits erste Erfolge zeigt: So wurden im Jahr 2022 41 neue deutsche KI-Start-ups gegründet. Das sind 64 % mehr als 2021. Und während die Investitionen in KI-Start-ups letztes Jahr global um 2 % gesunken sind, sind sie in Deutschland um 20 % gestiegen.

Alessandro: Unter dem Strich lässt sich also sagen, dass Deutschland seine KI-Aufholjagd endlich begonnen hat. Um international wettbewerbsfähig zu werden, müssen wir das Gaspedal aber noch stärker durchdrücken als bisher.

Über den KI Bundesverband

Der Bundesverband der Unternehmen der Künstlichen Intelligenz in Deutschland e.V. vernetzt die innovativsten KI und Deep Tech Unternehmen mit der etablierten Wirtschaft und Politik und ist mit mehr als 400 KI-Unternehmen das größte KI-Netzwerk Deutschlands. Die Mitglieder des Bundesverbandes Künstliche Intelligenz setzen sich dafür ein, dass diese Technologie im Sinne europäischer und demokratischer Werte Anwendung findet und Europa digitale Souveränität erreicht. Dafür muss die Bundesrepublik Deutschland und die EU ein attraktiver KI-Standort für Unternehmerinnen und Unternehmer werden, in dem Risikobereitschaft gewürdigt wird und Innovationsgeist auf die besten Voraussetzungen trifft.

Unternehmen sollen also mehr Gas geben, aber in welche Richtung? Und was haben sie am Ende davon?

Alex: Künstliche Intelligenz revolutioniert, wie mittelständische Unternehmen und Start-ups in Deutschland Geschäfte betreiben. Sie ermöglicht es ihnen, Prozesse präziser und effizienter zu gestalten, innovative Geschäftsmodelle von Grund auf neu zu entwerfen und Kundeninteraktionen auf individueller Ebene zu gestalten.

„Künstliche Intelligenz revolutioniert, wie mittelständische Unternehmen und Start-ups in Deutschland Geschäfte betreiben.“

Hast du dafür ein Beispiel?

Alex: Werfen wir beispielsweise einen Blick auf die Fertigungsindustrie. Mit Predictive Maintenance können Ausfälle von Maschinen vorhergesagt und präventiv behoben werden, wodurch sich Betriebskosten reduzieren und die Produktivität steigt. Das Beispiel kratzt zwar nur an der Oberfläche des Potenzials von KI, zeigt aber deutlich, wie Betriebskosten gesenkt und die Effizienz einfach gesteigert werden können.

In welchen KI-Bereichen können Deutschland und Europa wieder die Führung übernehmen?

Alessandro: Deutschland und Europa haben das Potenzial, in ethischer KI, KI im Gesundheitswesen und im Bereich der industriellen Automatisierung führend zu werden. Um dies zu erreichen, brauchen wir jedoch klare politische Rahmenbedingungen. Dies beinhaltet eine gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung, die Schaffung von Daten-Pools für Trainingszwecke und Regelungen, die sowohl Innovation fördern als auch ethische und datenschutzrechtliche Standards wahren.

Auch im Bereich des Wissenstransfers nimmt Deutschland, wie eingangs erwähnt, eine Spitzenposition ein. Aus politischer Sicht gilt es nun, Rahmenbedingungen zu schaffen, die einerseits Ausgründungen aus der Wissenschaft fördern, die Finanzierungsmöglichkeiten für KI-Start-ups verbessern, aber auch gezielte Anreize für die Implementierung von KI in Mittelstand und Industrie fördern.

Alex: Der KI Bundesverband hat hierzu beispielsweise erfolgreich den sogenannten KI-Voucher in die Start-up-Strategie der Bundesregierung mit eingebracht. Die KI-Voucher würden es KMUs ermöglichen, eine Bezuschussung für ein KI-Projekt zu erhalten, solange sie damit ein deutsches Unternehmen beauftragen. Damit lässt sich das finanzielle Risiko für KMUs senken, das Verständnis für KI-basierte Lösungen im Mittelstand erweitern und „KI Made in Germany“ fördern.

„Damit lässt sich ‘KI Made in Germany’ fördern.“

Es gehört zu eurem Tagesgeschäft, die Herausforderungen und Chancen, die KI als Technologie mit sich bringt, zu erkennen. Wie sensibilisiert ihr Unternehmen für all diese Möglichkeiten?

Alessandro: Wir bieten Plattformen für den Wissensaustausch, organisieren regelmäßige Netzwerkveranstaltungen und helfen Unternehmen, den richtigen Experten für ihre spezifischen Bedürfnisse zu finden. So stellen wir sicher, dass die KI-Innovation in Deutschland floriert und unsere Mitglieder bestens unterstützt werden.

Dazu gehört auch das AI Village in Hürth bei Köln, was ihr derzeit aufbaut.

Alex: Genau. Das AI Village in Hürth ist ein gemeinsames Projekt der Stadt Hürth, des KI Bundesverbandes, der Fraunhofer-Institute IAIS und FIT, KI.NRW sowie der Rheinischen Fachhochschule, mit dem wir den Strukturwandel im Rheinischen Revier als Chance nutzen und die Entwicklung und Anwendung von KI in der Region fördern und verankern wollen. Mit dem Aufbau eines solchen Hubs soll insbesondere die Vernetzung zwischen KI-Unternehmen und der etablierten Wirtschaft im Rheinischen Revier vorangetrieben werden. Darüber hinaus soll KI erlern- und erlebbar gemacht werden, um diese Schlüsseltechnologie auch der breiten Bevölkerung näherzubringen. Die Bedeutung des Projekts zeigt sich auch in der Unterstützung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, welches das AI Village für die nächsten vier Jahre fördert.

Solche Projekte sind sehr inspirierend. Trotzdem sorgen sich nicht wenige Unternehmen hinsichtlich der Sicherheit von KI, denn der Rechtsrahmen scheint nicht immer eindeutig. Ziel der Europäischen Kommission ist es, KI sicher und vertrauenswürdig zu gestalten. An welchem Punkt stehen wir hier?

Alex: Natürlich spielt die Sicherheit von KI für Unternehmen eine große Rolle und ist auch für den KI Bundesverband von großer Bedeutung. Gerade für Unternehmen in Deutschland sind Themen wie Datenschutz, Manipulation oder auch Cyber-Sicherheit zentrale Fragen, die es vor dem Einsatz von KI zu klären gilt.

„Natürlich spielt die Sicherheit von KI für Unternehmen eine große Rolle.“

Alessandro: Wir sind der Überzeugung, dass Deutschland einerseits Aufklärungsinitiativen braucht, die sowohl der breiten Bevölkerung als auch konkret in Unternehmen aufzeigen, wo die Chancen, aber auch die Risiken beim Einsatz von KI liegen. Andererseits ist es aber genauso wichtig, dass wir die Entwicklung von KI-Anwendungen in Deutschland fördern, die wir von Anfang an nach unseren europäischen Werten und Datenschutzregeln gestalten können. Es ist also entscheidend, dass wir klare Sicherheitsstandards und Richtlinien etablieren, um sowohl die realen als auch die wahrgenommenen Bedenken rund um die KI-Sicherheit zu adressieren. Nur dann können wir das volle Potenzial dieser Technologie ausschöpfen und gleichzeitig das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Wirtschaft gewährleisten.

Alex: Wir unterstützen daher grundsätzlich auch die Arbeit der europäischen Behörden, die gerade einen Regulierungsrahmen schaffen wollen, der europäische Standards setzt und KI-Innovationen in Europa und damit auch in Deutschland fördern soll.

Wie werden Unternehmen durch den vorgeschlagenen AI Act der EU regulativ und rechtlich bezüglich KI beeinflusst, und welche gesetzlichen Anforderungen sollten sie im Auge behalten, um gut informiert zu bleiben?

Alessandro: Derzeit befindet sich der AI Act der EU in den Trilogverhandlungen, das heißt, der Rat und das Parlament versuchen sich unter Moderation der Kommission auf einen Kompromiss zu einigen. Mit einem endgültigen Text ist frühestens Ende des Jahres zu rechnen.

DSA und DMA – Geplante Gesetze der EU

Der DSA (Digital Services Act, Digitale-Dienste-Gesetz) ist ein Gesetzesvorschlag der Europäischen Union (EU), der darauf abzielt, die Regulierung von digitalen Diensten und Plattformen zu modernisieren und zu stärken. Er wurde erstmals im Dezember 2020 vorgeschlagen und befindet sich derzeit in der Phase der Gesetzgebung. Der DSA soll die Haftung von Online-Plattformen für Inhalte und Dienstleistungen auf ihren Plattformen regeln und sicherstellen, dass sie bestimmten Transparenzanforderungen und Verpflichtungen in Bezug auf den Schutz der Nutzerdaten nachkommen. Dies betrifft eine breite Palette von Unternehmen, einschließlich sozialer Medien, E-Commerce-Plattformen und Marktplätzen.

Der DMA (Digital Markets Act, Digitale-Märkte-Gesetz) ist ein weiterer Gesetzesvorschlag der EU, der darauf abzielt, digitale Plattformen mit hoher Marktmacht zu regulieren und den Wettbewerb auf digitalen Märkten zu fördern. Ähnlich wie der DSA befindet sich auch der DMA in der Gesetzgebung. Der DMA soll bestimmte große Technologieunternehmen mit besonderen Verpflichtungen belegen, darunter die Offenlegung von Datenzugangsbedingungen, die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und die Gewährleistung der Interoperabilität von Diensten.

Der Hauptunterschied zwischen den beiden Gesetzen liegt darin, dass der DSA sich auf die Regulierung von Diensten und Inhalten konzentriert, die auf digitalen Plattformen angeboten werden, während der DMA sich auf die Regulierung von großen digitalen Plattformen mit besonderer Marktmacht konzentriert.

Worum geht es?

Alessandro: Im Kern geht es darum, den Einsatz von KI im europäischen Raum zu regulieren, insbesondere im Hinblick auf Risiken und Ethik. Unternehmen müssen dann beispielsweise strengere Anforderungen erfüllen, wenn ihre KI-Systeme als „hoch riskant“ eingestuft werden. Nach einer anfangs sehr pragmatischen Lösung hat sich der AI Act in den letzten zwei Jahren zu einem sehr tiefgreifenden Regulierungswerk entwickelt. Gerade mit Blick auf die generative KI und deren Regulierung sehen wir mit den aktuell vorliegenden Texten deutlich die Gefahr, dass der AI Act zu praktisch nicht umsetzbaren Anforderungen für KI-Unternehmen führt und damit KI-Innovationen in Europa langfristig gefährdet.

Alex: Darüber hinaus muss aus unserer Sicht auch die Position Europas im globalen KI-Ökosystem berücksichtigt werden. Allein im Bereich der generativen KI stammen fast 90 Prozent aller am Markt verfügbaren KI-Anwendungen aus den USA und China. Würde die EU nun diese strengen und weitreichenden regulatorischen Anforderungen einführen, hätte dies unweigerlich tiefe Einschnitte in unsere eingangs erwähnte KI-Aufholjagd zur Folge. Das europäische KI-Ökosystem lebt von Start-ups und KMU. Gerade für diese Unternehmen wird es deutlich schwieriger, solche Compliance-Anforderungen zu erfüllen, bei den amerikanischen Big-Tech-Unternehmen sehen wir diese Schwierigkeit nicht, das zeigt ja aktuell auch deren Umgang mit dem DSA oder dem DMA.

Solche Regulierungen könnten für Start-ups und KMU eine Herausforderung darstellen.

Alex: Letztlich muss es das Ziel der EU sein, die Entwicklung und Implementierung heimischer KI-Systeme zu fördern, denn nur so können wir langfristig unsere digitale Souveränität erhalten und stärken. Und ein solches Ziel kann nur erreicht werden, wenn ein innovationsfreundlicher, klarer und pragmatischer Regulierungsrahmen entwickelt wird. Der KI Bundesverband wird daher seine Arbeit am AI Act intensiv fortsetzen, damit sich dieser möglichst in jene Richtung entwickelt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview erschien erstmalig in der Ausgabe 02/23 unseres Magazins data! Alle Ausgaben und Artikel findest du hier:

data! Magazin: Cloud Services, Data Analytics & AI | taod

Alex Dickmann (Projektleitung AI Village und Standortleitung NRW) baut das AI Village in Hürth auf und betreut die Mitglieder des KI Bundesverbandes in Nordrhein-Westfalen. Zuvor betreute er die Projekte OpenGPT-X und LEAM im Verband. Vor seinem Engagement im KI Bundesverband studierte er Digital Communication Leadership in Salzburg und Brüssel, arbeitete für einen Abgeordneten des Europäischen Parlaments und unterstützte die DAAD-Außenstelle in Jakarta, Indonesien.

Alessandro Blank (Projektbegleitung Public Affairs und Innovationsprojekte) arbeitet im Public Affairs-Team des KI Bundesverbandes mit Fokus auf EU-Politik und Regulierung. Zudem unterstützt er den Aufbau des AI Village in Hürth. Zuvor war er als Werkstudent im Politikteam des Verbandes tätig. Alessandro Blank studierte Politikwissenschaften in Zürich sowie International Affairs and Security in Berlin und Rom und arbeitete unter anderem für einen politischen Think Tank in Berlin.

No items found.
No items found.
Weitere Themen und Beratung rund um Data und Analytics
No items found.
Bleib mit unserem monatlichen Newsletter immer auf dem aktuellen Stand. Alle neuen Whitepaper, Blog-Artikel und Infos inklusive.
Newsletter abonnieren
Firmensitz Köln

taod Consulting GmbH
Oskar-Jäger-Str. 173, K4
50825 Köln‍
Standort Hamburg

taod Consulting GmbH
Alter Wall 32
20457 Hamburg
Standort Stuttgart

taod Consulting GmbH
Schelmenwasenstraße 37
70567 Stuttgart